Was dem Pastor auf dem Herzen liegt

Monatsspruch Juli 2023

 

Liebe Gemeinde,       
Im Matthäusevangelium Kapitel 5, ziemlich zu Beginn der Bergpredigt, sagt Jesus: „Euer Vater im Himmel lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte.(Mt 5, 45)

Wenn ich mir den Satz im Zusammenhang anschaue, dann stelle ich fest: Hier geht es um die Aufforderung zur Feindesliebe.

Ganz direkt gefragt: Wie sieht es aus mit solcher Feindesliebe, können wir das? Vielleicht ist unser erster Gedanke: „Ich habe keine Feinde, also habe ich das gar nicht nötig“. Die Antwort mag richtig sein, aber das löst das Problem nicht. Allein dadurch, dass ich niemanden meinen Feind nenne, kann ich der Forderung von Jesus nicht entgehen. Sie gilt im Hinblick auf alle, die mir unsympathisch sind oder auf den Wecker gehen, auf alle, mit denen ich am liebsten nichts zu tun haben will. Feindesliebe soll ich denen entgegenbringen, die - wie ich auch - Christen sind und zur Gemeinde dazugehören. Aber auch all denen, die dem Glauben fernstehen. Können wir all diese Menschen lieben? Ich kann es zu oft nicht, und manchmal frage ich mich sogar, ob das richtig ist, was Gott hier fordert. Es gibt eben keine einfachen Antworten auf diese Fragen.

Ist das wirklich gerecht, dass der Vater seine Sonne aufgehen lässt über Böse und Gute, und es regnen lässt über Gerechte und Ungerechte? Wäre es nicht gerechter, ja wäre es nicht viel besser für alle, wenn er unterscheiden würde, wenn er die Ungerechten und Bösen aussortieren würde? Wieviel Leid bliebe anderen erspart, wenn Gott nur die Gerechten lieben würde, die Guten, aber die anderen nicht.

Aber wer so denkt, vergisst dabei, dass der, der so handelt, eben der Vater ist. Es fällt schon irdischen Vätern nicht leicht, sich von ihren Kindern loszusagen. Für irdische Mütter ist es noch schwerer - und dabei spielt kaum eine Rolle, was ihre Kinder getan haben, welche Schuld sie auf sich geladen haben.

Schon loslassen ist nicht leicht, sich lossagen ist noch viel schwerer. Das hat zu tun mit dem Kreuz der Liebe.

Es gibt eine innere Verbundenheit, die uns in der Regel hindert. Blut ist dicker als Wasser. Ich glaube, dass Gott viel mehr Vater ist als wir Väter und dass Gott vielmehr Mutter ist als alle Mütter. Das hat sicher etwas mit Hoffnung zu tun. Auch irdische Väter und Mütter haben ja immer wieder Hoffnung, dass ihre Kinder noch den guten, den aus ihrer Sicht richtigen Weg finden. Und es hat mit Liebe zu tun. Ich glaube, der Vater im Himmel liebt alle seine Kinder mit unendlicher Liebe. Er liebt die, die ihn lieben, und er liebt die Gleichgültigen, denen zwar nicht alles gleichgültig ist, aber Gott ist ihnen gleichgültig. Ja, Gott liebt auch die Feinde. Er liebt die seiner Kinder, die sich zu seinen Feinden erklären.

Darum kann auch der Apostel Paulus im Römerbrief sagen, dass Jesus uns mit Gott versöhnt hat, als wir noch Feinde waren. Paulus nimmt die Feindschaft des Menschen gegen Gott ganz ernst. Aber er weiß auch: Gerade deshalb hat Gott seinen Sohn Jesus Christus in diese Welt gesandt. Wenn das so ist, wird vielleicht die Geduld Gottes verständlich. Dann werden sein Warten und seine Hoffnung verständlich. Vor allem aber sein Handeln.

Gott ist und bleibt geduldig, mehr noch, hier in der Bergpredigt stellt Jesus diese Geduld den Jüngerinnen und Jüngern als beispielhaft hin. Trotzdem gibt es wohl keine einfache Antwort auf die Frage, wie wieder Friede werden kann, weder im persönlichen, noch im globalen Bereich angesichts der gegenwärtigen militärischen Konflikte. Für heute mag es genügen, dass wir mit der Sehnsucht nach einem Leben gemäß dem Wesen Gottes in den Alltag gehen, denn „Gott ist Liebe, und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm“ (1Joh 4,16).

Ihre/Eure Pastorin Anja